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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Wahl-O-Mat

In Bayern braucht‘s keinen Wahl-O-Mat, da gibt es die CSU. Wir wählen auch nicht, wir stimmen ab. Und zwar darüber, wie viel Prozent es dieses mal für die Partei der unendlichen Glückseligkeit gibt. Eine Glosse von Helmut Schleich.

Von: Helmut Schleich

Stand: 17.05.2024

Die Europa- Wahl steht vor der Tür. Ganz ehrlich, wäre mir nicht vor ein paar Tagen die „amtliche Wahlbenachrichtigung“ ins Haus geflattert, ich hätte es gar nicht so richtig realisiert.

Passt ja auch ganz gut ins Bild. Europäische Demokratie ist etwas, was in der Regel genial an uns vorbei läuft. Zumeist, bis es zu spät ist. Erst wenn der Deckel untrennbar an der Plastikflasche hängt oder sich der gefühlt hundertste Papp-Strohhalm im Cola auflöst, dann merken wir: „Öha, sie haben mal wieder was entschieden in Brüssel.“

Dabei wandert immer mehr Souveränität der einzelnen Länder zur Zentrale in der belgischen Hauptstadt. Aber auch das passiert eher unbemerkt. So direkt gefragt wurden wir da ja bekanntlich nie. Es gibt ja nicht einmal europäische Parteien. Dafür gibts zum Glück den Wahl-o-mat. Der führt einen mit 38 Fragen direkt zur passenden Wahlentscheidung.

Ich habe natürlich als erstes mal den Streßtest gemacht. Wenn man alle Frage mit „neutral“ beantwortet, kriegt man schnell vom Wahl-o-mat geschimpft: „Bitte beantworten Sie die Fragen sorgfältig“. Und am Ende sagt er einem dann, dass er leider kein passendes Ergebnis liefern kann. Mit anderen Worten, „wenn’s Ihnen wurscht ist, isses uns auch wurscht“.

Darauf, fürchte ich, kann sich der Wahl-o-mat mit vielen Wahlberechtigten einigen. Streßtest bestanden. Und man muss es ehrlich sagen: „Wurscht“ ist neben „ja“ oder „nein“ immer eine Option. In Bayern zumal.

Gerade, wenn was beinahe religiös überhöht wird, so wie das bei der EU der Fall ist. Da wird ja viel von Werten, Glaube an die Sache und Gemeinschaft geredet und weniger von Korruption, Lobbyismus und Hinterzimmergeschacher. Da geht die bayerische Seele erst einmal in einen gesunden Stand- by- Modus.

Das Haustürgeschäft mit der Zukunft ist des Bayern Sache nicht. Schließlich ist die bayerische Seele eine bäuerliche. Deshalb würde sich der Bayer auch nicht anmaßen, zu wissen, was für den Portugiesen gut ist oder für den Polen - außer der Manfred Weber, der weiß das. Schließlich ist die Welt heute so unübersichtlich, dass nur noch Fachleute überhaupt durchblicken. Und für uns gibt’s den Wahl-o-mat. Der sagt uns welche Fachleute die Richtigen sind.

Konsequent wäre es, den Wahl-o-mat direkt mit dem Wahlamt zu verbinden. Fragen beantworten, Auswahl bestätigen und abschicken. Fertig.

Stopp! Vorher noch die AGBs bestätigen. Ganz wichtig, weil die liest keiner. Da können dann die Parteien alles mögliche reinschreiben und wenn sich die Wähler hinterher beschweren, dann können es die Parteien machen der Telefonanbieter und schulterzuckend sagen: „steht so in den AGBs.“

Da schau her, ein JU-ler, der den Philosophen Ernst Bloch zitiert

So ähnlich wie der JU- Chef Johannes Winkel. Der hat am Parteitag gesagt: „Wir dürfen die Verteidigung unserer Demokratie nicht dem Prinzip Hoffnung überlassen.“ Da schau her, ein JU-ler, der den Philosophen Ernst Bloch zitiert. Von dem stammt das Prinzip Hoffnung und er meint damit grob, dass der Mensch, wenn er frei von Demütigung und Entfremdung leben will, sich immer wieder noch nicht ausgeschöpfter Möglichkeiten bewusst werden und diese realisieren muss. Die Wehrpflicht ist doch eine solche „noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeit“. Andererseits war Ernst Bloch Pazifist. Was wollte uns der JU- Chef sagen?

Markus Söder braucht keine Philosophen, er ist sich selbst Philosoph genug. Die Entscheidung der CDU pro Wehrpflicht hat er begrüßt und gesagt: „Die Lage erfordert ein anderes Denken.“ Im Klartext: Der Russe macht’s möglich.

Und der Russe macht ja zur Zeit vieles möglich. Die Energiewende, die Aufrüstung. Die ist ja noch viel interessanter wie die Wehrpflicht. Man denke an Schiller: „Der beste Kaufmann ist der Krieg, weil er aus Eisen Gold macht.“ Im Grunde müsste man ja dem Russen fast dankbar sein, für das, was er bei uns alles in Bewegung bringt.

Als man 1957 die Wehrpflicht in der Bundesrepublik zum ersten Mal eingeführt hat, da hat man’s weniger mit der Angst vor dem Russen begründet sondern mit der Angst vor der eigenen Armee, genauer gesagt vor einer Berufsarmee als „Staat im Staate“. Davor braucht man sich heute in Deutschland nicht mehr zu fürchten. Selbst wenn die Bundeswehr ein Staat im Staate wäre, dann höchstens einer, der hilflos am Tropf unserer Entwicklungshilfe hängt.

Eben alles eine Frage der Perspektive.


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