Jusitzgebäude in Regensburg
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Der verurteilte Mörder flüchtete im Januar aus dem Gerichtsgebäude durch ein Fenster.

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Nach Flucht des verurteilten Mörders: Bayerns Gerichte sicherer?

Die Flucht von Rachid C. aus dem Regensburger Gerichtsgebäude im Januar hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Erst fünf Tage später wurde er wieder gefasst. Bayerns Gerichte mussten seither ihr Sicherheitskonzept überarbeiten. Was hat sich geändert?

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Fast sechs Monate nach seiner spektakulären Flucht aus einem unvergitterten Fenster des Regensburger Gerichtsgebäudes stand Rachid C. erneut vor Gericht. Wieder in Regensburg. Wieder musste er sich wegen eines Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verantworten. Doch aus seiner Flucht im Januar hat Bayerns Justiz und Polizei gelernt: Die Sicherheitskonzepte an allen bayerischen Gerichten wurden überprüft und angepasst. So auch am Landgericht Regensburg.

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Anwaltszimmer für Gefangene tabu

Im Sitzungsgebäude wurde umgebaut. Um die Sicherheit zu erhöhen, seien die Fenstergriffe im Sitzungsgebäude verändert worden, so Ruth Koller, Pressesprecherin am Landgericht Regensburg. Weiter ins Detail will sie aber nicht gehen. Einen Hinweis will das Gericht dagegen sehr an die Öffentlichkeit tragen: Dass das Anwaltszimmer noch nie für Besprechungen zwischen Verteidigern mit ihren inhaftierten Mandanten ausgelegt war. Und: Dass auch das Landgericht Regensburg schon immer über Arrestzellen verfügt hat, in die inhaftierte Angeklagte während der Verhandlungspausen eingeschlossen werden sollen.

Fluchtursache: Mangelnde Ortskenntnis?

Die beiden Polizeibeamten, die Rachid C. zu Beginn des Jahres nach Regensburg begleitet hatten, wussten das offenbar nicht. Während einer Verhandlungspause brachten sie den bereits verurteilten Mörder in das Anwaltszimmer im Erdgeschoss des Sitzungsgebäudes, ohne ihm wieder Handschellen anzulegen.

Zwei Umstände, die sich Rachid C. zu Nutze gemacht hat. Er konnte aus dem Gerichtsgebäude fliehen. Wie die Regensburger Staatsanwaltschaft nun bestätigt, brachte ihn dann eine nahe Angehörige mit ihrem Fahrzeug aus der Stadt. Erst fünf Tage später wurde Rachid C. in Frankreich von einer Spezialeinheit gestellt und festgenommen.

Sicherheit in Bayerns Gerichts auf Prüfstand

Für Bayerns Justiz war die Sache damit aber nicht vorbei. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich veranlasste einen Sicherheitscheck für alle bayerischen Gerichte. An den Oberlandesgerichten wurden Taskforces eingerichtet. Bis Ende März mussten alle Sicherheitsüberprüfungen abgeschlossen sein. Bereits Anfang April sollten erste Maßnahmen folgen; um erstens die Sicherung der Gebäude und zweitens die Abläufe zwischen Justiz und Polizei zu verbessern.

Besonders gesicherte Zellen werden zur Pflicht

Größere Gerichte in Bayern verfügten bereits über besonders gesicherte Vorführzellen, so das Bayerische Justizministerium auf BR-Nachfrage. Zwar hat auch das Regensburger Gerichtsgebäude Arrestzellen. Für vertrauliche Gespräche zwischen inhaftiertem Mandant und Anwalt musste aber eine dieser Zellen umgebaut werden, wie Gerichtssprecherin Ruth Koller erklärt. "Ausschließlich hier dürfen Besprechungen von inhaftierten Angeklagten und ihren Verteidigern stattfinden."

Allerdings verfügen nicht alle Gerichte in Bayern über entsprechend gesicherte Zellen oder gar Räume. Bis diese dort eingerichtet sind, müssten Vier-Augen-Gespräche unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden, so das Bayerische Justizministerium.

Engere Absprachen zwischen Justiz und Polizei

Allein mit baulichen Maßnahmen sei die Sicherheit daher nicht gewährleistet, teilt das Bayerische Justizministerium mit: "Die Bewachung – und falls nötig Fesselung – von Gefangengen spielen dabei eine zentrale Rolle."

Entscheidend sei bei jährlich rund 23.000 sogenannten Vorführungen in bayerischen Justizgebäuden, dass die Abstimmung zwischen Vorführbeamten und Gericht reibungslos funktioniere. Auch hier wurde nach der Flucht nachgebessert. So fand am Gericht in Regensburg eine Ortsbegehung mit der Polizei statt. Für ortsfremde Polizisten soll es ein Hinweisblatt geben, das die Beamten mit der örtlichen Raum- und Sicherungssituation vertraut macht. Eine gemeinsame Handreichung von Innen- und Justizministerium wird derzeit noch entwickelt.

Flucht nicht strafbar, aber mit Folgen

Im Sitzungssaal obliegt es dem Vorsitzenden Richter, ob ein inhaftierter Angeklagter gefesselt bleibt oder nicht. Im Fall von Rachid C. hatte der zuständige Richter bereits vorab angeordnet: Rachid C. soll während der Verhandlung gefesselt bleiben und bewacht werden. Die einzige Konsequenz, die die Flucht für Rachid C. hat. Denn die Flucht selbst ist keine Straftat und darf sich daher auch nicht auf das Urteil auswirken.

Der 41-Jährige trug dann auch Hand- und Fußfesseln, als ihn Beamte am Mittwoch in den Gerichtssaal begleiteten. Die Handfessel war zudem an einem Bauchgurt befestigt, so dass der Mann die Arme nicht heben konnte. Während der Verhandlung wurde ihm dann gestattet, die Bauchfessel zu lösen. Hand- und Fußfesseln blieben verschlossen.

Wie Gerichtssprecherin Britta Wankerl dem BR bestätigte, wurde Rachid C. wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einem Jahr und drei Monaten Haft zusätzlich verurteilt. Damit hob das Landgericht ein Urteil des Amtsgerichts auf, das auf ein Jahr zusätzliche Haft lautete und nach seiner Flucht in Abwesenheit erlassen worden war.

Im Video: Rückblick – Mörder auf der Flucht gefasst

Ein verurteilter Mörder war aus einem Fenster am Amts- und Landgericht Regensburg geflohen.
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Ein verurteilter Mörder war aus einem Fenster am Amts- und Landgericht Regensburg geflohen.

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