Luis Rubiales, Präsidenten der Spanish Football Federation (RFEF)
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Luis Rubiales, Präsidenten der Spanish Football Federation (RFEF)

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Spaniens Fußballerinnen im Streik: Kuss-Debatte eskaliert

Der Kuss von Spaniens Verbandschef hat eine heftige Debatte ausgelöst, um Macht und Sexismus. Die Spielerinnen wollen streiken, der Verband droht mit Klagen – und Luis Rubiales will weiter im Amt bleiben. Die FIFA hat ihn aber inzwischen suspendiert.

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Die Nationalspielerinnen um Jennifer Hermoso streiken, der Fußballverband RFEF mit dem umstrittenen Präsidenten Luis Rubiales an der Spitze droht mit Klagen – die Kuss-Debatte nach dem WM-Sieg Spaniens spitzt sich weiter zu.

Auf Rubiales' Rücktritts-Verweigerung am Freitag reagierte Hermoso mit einer ausführlichen Stellungnahme, die deutlicher kaum hätte sein können: "Ich habe mich verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe. Einfach ausgedrückt, ich wurde nicht respektiert", schrieb die 33-Jährige in einer auf den sozialen Netzwerken Instagram und X, früher Twitter, verbreiteten Erklärung.

Schreiben von 81 Fußballerinen unterzeichnet

Kurz zuvor hatten alle Spielerinnen des spanischen Teams verkündet, sie würden so lange nicht mehr antreten, wie Rubiales noch im Amt sei. "Es macht uns sehr traurig, dass ein derart inakzeptables Verhalten den größten sportlichen Erfolg des spanischen Frauenfußballs überlagert", stand in der auf X veröffentlichten Erklärung der Spielerinnengewerkschaft Futpro, die von 81 Fußballspielerinnen unterzeichnet war. "Nach allem, was bei der Frauen-Weltmeisterschaft passiert ist, wollen wir klarstellen, dass alle unterzeichnenden Spielerinnen nicht in der Nationalelf antreten werden, wenn die aktuelle Führungsriege im Amt bleibt."

Massive Kritik im Anschluss an WM-Finale

Rubiales hatte Hermoso nach dem 1:0-Sieg im WM-Finale gegen England am vergangenen Sonntag in Sydney bei der Siegerehrung mit beiden Händen am Kopf gehalten und auf den Mund geküsst. Hermoso sagte wenig später in einem Video, ihr habe das nicht gefallen. Daraufhin äußerten eine große Zahl von Politikerinnen und Politikern, andere Fußball-Funktionäre und Spielerinnen massive Kritik an Rubiales und forderten ihn zum Rücktritt auf.

US-Fußballerin spricht von "Missbrauch"

US-Star Alex Morgan schrieb, sie sei angewidert. Die im Finale unterlegenen Engländerinnen solidarisierten sich ebenfalls mit Hermoso. "Missbrauch ist Missbrauch und wir haben alle die Wahrheit gesehen", schrieben sie. "Das Verhalten derjenigen, die sich für unbesiegbar halten, darf nicht toleriert werden und Menschen sollten nicht überzeugt werden müssen, um gegen jede Form von Belästigung vorzugehen."

Spaniens Vize-Regierungschefin will Rubiales entfernen

Auch die spanische Regierung stellte sich gegen den 46-jährigen Rubiales. Sie werde alles tun, was "in ihrer Macht steht", damit Rubiales sein Amt verliert, sagte Spaniens geschäftsführende Vize-Regierungschefin Teresa Ribera der Nachrichtenagentur Europa Press.

Sportminister spricht von "letzte Stunden von Rubiales"

Sportminister Miquel Iceta sagte, die Regierung werde sich um eine rasche Entfernung von Rubiales aus dem Amt bemühen. "Soweit es von uns abhängt, sind es die letzten Stunden von Rubiales", sagte er der Zeitung "El País". Die oberste spanische Sportbehörde CSD beantragte beim nationalen Sportgerichtshof Tad die Suspendierung von Rubiales. "Herr Rubiales hat in seiner Reaktion enttäuscht, er hat nicht getan, was er hätte tun sollen", sagte CSD-Chef Víctor Francos im Hinblick auf die Rede des höchsten Funktionärs des spanischen Fußballs.

Fußballverband droht mit Klagen

Der Verband dagegen veröffentlichte am späten Freitagabend eine Stellungnahme auf seiner Webseite, in der Rubiales verteidigt und Hermoso und der Futpro mit Klagen gedroht wird. Konkret bezichtigt der spanische Fußballverband RFEF Hermoso der Lüge und ihr persönlich rechtliche Schritte angedroht. Der Verband bezeichnete in einer Erklärung aus der Nacht zum Samstag die Darstellung von Hermoso, der Kuss des Präsidenten Luis Rubiales auf ihren Mund bei der Siegerehrung in Sydney sei nicht in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, als Lüge. Kernpunkt ist Hermosos Aussage, sie habe dem Kuss nicht zugestimmt und Rubiales auch nicht - wie von diesem behauptet - hochgehoben.

Bilder sollen zur Aufklärung beitragen

Der RFEF stellte vier Fotos online, die den Verbandsboss entlasten sollen, und beschrieb darüber hinaus detailliert die Körperhaltung von Rubiales und Hermoso. Die Bilder seien der Beweis dafür, dass Rubiales nicht gelogen habe. Auf ihnen ist zu sehen, wie Rubiales von Hermoso gehalten wird, auf zwei davon sind seine Beine in der Luft. Ob die Stürmerin ihn hochgehoben hat oder er von sich aus hochgesprungen ist, lässt sich anhand der kurzen Bilderserie nicht belegen.

Der Verband betonte, die veröffentlichten Fotos würden diese "Lügen" entlarven, die "entweder im Namen oder von der Spielerin selbst" verbreitet worden seien. Dagegen würden der Verband und Rubiales gerichtlich vorgehen.

FIFA sperrt Rubiales vorläufig

Das Disziplinarkomitee des Fußball-Weltverbandes FIFA sperrte Rubiales vorläufig. Die Suspendierung gilt für den nationalen und internationalen Bereich. Die Sperre gilt ab sofort und für 90 Tage. Die FIFA hatte am Donnerstag ein Verfahren gegen Rubiales eingeleitet, der auch im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA) sitzt. Die FIFA forderte Rubiales zudem auf, selbst oder über Dritte keinen Kontakt zu Hermoso oder ihrem Umfeld aufzunehmen. Auch der Versuch einer Kontaktaufnahme solle unterbleiben. "Die FIFA bekräftigt ihr uneingeschränktes Bekenntnis zur Achtung der Integrität aller Personen und verurteilt deshalb jedes gegenteilige Verhalten aufs Schärfste", unterstrich der Weltverband.

DFB-Frauen solidarisieren sich mit Spanierinnen

Die deutschen Fußballerinnen schlossen sich den globalen Solidaritätsbekundungen für die streikenden Weltmeisterinnen aus Spanien an. "Team Deutschland ist bei Euch", wurde am Samstag als Botschaft über den offiziellen Instagram-Kanal der DFB-Frauen geteilt: "(at)jennihermoso und Team, Ihr habt unseren vollen Support!"

Vize-Kapitänin Svenja Huth teilte am Samstagabend ein Statement des Mannschaftsrates, der das Verhalten von Rubiales ebenso kritisierte wie relativierende Kommentare dazu von deutschen Fußballgrößen: "Solch ein Verhalten ist nicht akzeptabel, und noch weit untragbarer ist, es auch noch herunterzuspielen und die Spielerin unter Druck zu setzen. Niemand, absolut niemand sollte dies als Kleinigkeit abtun." Es sei "traurig, wenn auch in der deutschen Fußball-Welt anscheinend noch nicht alle aufgeklärt genug sind, das einschätzen zu können".

Im Audio: Rubiales will trotz Kritik nicht zurücktreten

Trotz der Kritik will Rubiales nicht zurücktreten
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Rubiales umarmt und küsst eine Spielerin auf die Wange

Spaniens Trainerteam tritt zurück, nicht aber Chefcoach Vilda

Fast das gesamte Trainerteam der spanischen Weltmeisterinnen erklärte aus Solidarität mit Hermoso seinen Rücktritt. Cheftrainer Jorde Vilda, der bisher fest zu Rubiales steht, verlor damit sein gesamtes Team, wie die spanische Zeitung "Mundo Deportivo" und andere Medien am Samstag berichteten. Auch Trainer und Trainerinnen von Jugendmannschaften hätten sich dem Schritt angeschlossen, darunter auch die für die Mannschaften der U19 und U17 zuständigen Sonia Bermúdez und Kenio Gonzalo.

In einer Erklärung, die den Zeitungen vorlag, kritisierten die Unterzeichnenden das Verhalten von Rubiales und dessen aggressive Rede vom Vortag. So seien vor allem weibliche Funktionäre gezwungen worden, bei der außerordentlichen Sitzung der Generalversammlung des Verbandes in der ersten Reihe zu sitzen, um so den falschen Eindruck zu erwecken, sie stünden zum Fußballboss.

Mit Informationen von dpa

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