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Weniger Beschwerden, mehr Lebensqualität Komplementärmedizin bei Nebenwirkungen von Krebstherapien

Wenn es um die Bekämpfung von Krebs geht, kann die Naturheilkunde zwar nicht heilen, aber zumindest die zum Teil heftigen Nebenwirkungen einer Krebstherapie abfedern. Welche Möglichkeiten gibt es?

Von: Susanne Dietrich

Stand: 27.01.2023

Ein Bund Heilkräuter liegt neben zwei unterschiedlich großen Apothekerfläschen aus braunem Glas. | Bild: BR / Lisa Hinder

In der Krebstherapie konzentriert sich die Schulmedizin vor allem auf die Zerstörung des Tumorgewebes – vorwiegend durch Operation, Chemotherapie und Bestrahlung. Die komplementärmedizinische Krebstherapie oder Komplementär-Onkologie versteht sich dazu nicht als Alternative, sondern als Ergänzung und Unterstützung der tumordestruktiven Therapie durch naturheilkundliche Methoden. Ziel ist es, die schulmedizinischen Therapieformen wirksamer und verträglicher zu machen und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Experte:

Dr. Artur Wölfel, Facharzt für Innere Medizin, Naturheilverfahren und Homöopathie und ehemaliger Leiter der Ambulanz für Integrative Medizin am Krankenhaus für Naturheilweisen in München-Harlaching

Komplementär-onkologische Maßnahmen haben nicht die Kraft, Tumorzellen zu zerstören. Aber sie stärken die Abwehrkräfte und regen die Selbstheilungs- und Regenerationsfähigkeit des Körpers an. So können nicht nur Nebenwirkungen der akuten Krebstherapie, sondern auch therapiebedingte Langzeitbeschwerden abgemildert werden.

Der Text basiert auf einem Interview mit Dr. Artur Wölfel, Leiter der Ambulanz für Integrative Medizin am Krankenhaus für Naturheilweisen in München-Harlaching.

Man geht grundsätzlich davon aus, dass die Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen der Krebstherapie umso intensiver ausfallen, je schlechter die körperliche und psychische Verfassung der Patientinnen und Patienten vor der Therapie ist. Daher sollten sich Krebskranke um eine gesunde Lebensführung und eine Verbesserung ihrer Fitness bemühen – am besten bereits vor Therapiebeginn, auf jeden Fall aber parallel zu den Behandlungen und danach. In der Naturheilkunde spricht man von der Ordnungstherapie, wenn es um eine gesundheitsfördernde Gestaltung des persönlichen Alltags geht. Dazu zählt unter anderem eine vollwertige Ernährung, die sich an der individuellen Situation und den persönlichen Bedürfnissen orientiert.

"Gesunde Ernährung ist vor allem wichtig in der Prävention von Krebs. Aber insbesondere bei Nebenwirkungen einer Therapie, die den Verdauungstrakt betreffen, sollten Patienten ihre Ernährung an die eigenen Unverträglichkeiten anpassen - diese sind leider relativ häufig. Die Ernährung sollte garantieren, dass der Patient mit ausreichend Vitalstoffen und besonders mit den sogenannten sekundären Pflanzeninhaltsstoffen versorgt ist. Ideal wäre es, wenn man sich so ernährt, dass man nicht auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen muss, sondern sich über eine vitalstoffreiche, pflanzenbetonte Ernährung alles zuführt, was der Körper braucht."

Dr. Artur Wölfel

Im Rahmen einer gesunden Lebensgestaltung vor, während und nach der Krebstherapie spielt regelmäßige Bewegung eine wesentliche Rolle. Sport hat wie eine gesunde Ernährung einen präventiven Effekt, ist aber auch therapiebegleitend wirkungsvoll.

"Bewegungstherapeutische Maßnahmen können Studien zufolge krebs- und therapiespezifische Nebenwirkungen abmildern. Beispielsweise kann man polyneuropathieähnliche Beschwerden – also durch eine Schädigung von Nervenfasern bedingte Symptome – durch frühzeitige bewegungstherapeutische Programme positiv beeinflussen. Renommierte Onkologen wie Prof. Michael Hallek aus Köln sagen: 'Wenn es Turnschuhe auf Rezept geben würde, würde ich sie verordnen.' Denn man weiß, dass speziell beim Brustkrebs der Frau und beim Dickdarmkrebs Sport letztlich als Medizin zu sehen ist und sich auch die Langzeitprognose der Patienten umso mehr verbessert, je aktiver sie sportlich sind."

Dr. Artur Wölfel

Empfohlen werden, angepasst an die eigene Belastungsfähigkeit, drei Mal wöchentlich moderate Ausdauereinheiten – beispielsweise Nordic Walking oder Radfahren – und zwei Mal pro Woche Krafttraining. Auf die individuelle Situation abgestimmt bedeutet: Man sollte etwa 70 Prozent der eigenen Belastbarkeit abrufen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

"Eine gute Orientierung ist: Laufen, ohne zu schnaufen. Dann bin ich nicht in der Sauerstoffschuld. Wenn ich mich beim Nordic Walking mit meinem Nachbarn noch unterhalten kann, habe ich mich nicht überlastet. Für die Vergleichbarkeit körperlicher Aktivitäten verwendet man das sogenannte Metabolische Äquivalent – den Stoffwechselumsatz bei Aktivität im Vergleich zum Ruheumsatz. Die gesundheitsfördernde Wirkung von Bewegung ist abhängig von der täglich erzielten Anzahl dieser Äquivalente. Sie müssen also schon an fünf Tagen pro Woche für etwa 45 Minuten körperlich aktiv sein."

Dr. Artur Wölfel

Wer sich gemeinsam mit anderen sportlich betätigen möchte, kann sich beispielsweise bei der Bayerischen Krebsgesellschaft nach Krebssportgruppen erkundigen. Es gibt zum Beispiel spezielle Brust- oder Prostatakrebsgruppen. Auch Selbsthilfegruppen können hier weiterhelfen. Darüber hinaus kann das Erlernen von Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Yoga das Wohlbefinden vor, während und nach der Krebstherapie fördern.

"Ordnungstherapie bedeutet, aus dem Passiv-Modus in den Aktivmodus zu kommen, sich nicht zu schonen, sondern zu fordern und fördern. Das heißt: Sich vollwertig ernähren, Ausdauer und Kraft aufbauen und auf regelmäßige Entspannung achten. Das verbessert das Körpergefühl, stärkt das Selbstbewusstsein und die Überzeugung, zur Bewältigung der Krankheit selbst etwas beitragen zu können. Und es hilft dabei, besser mit der Therapie und ihren Begleiterscheinungen zurechtzukommen."

Dr. Artur Wölfel

50 bis 90 Prozent der Krebskranken leiden – je nach Krankheitsverlauf – unter einem sogenannten Fatigue-Syndrom, also unter andauernder Erschöpfung, Müdigkeit und Kraftlosigkeit. Diese Fatigue kann Folge des Tumors, aber auch der Krebstherapie sein – meist handelt es sich um eine Kombination aus beiden Faktoren.

"Vitalitätsminderung und Belastungsintoleranz sind oft Folgen der Therapie – beispielsweise dadurch, dass sich therapiebedingt eine Anämie, also eine Blutarmut, entwickelt. Hierfür besteht die Notwendigkeit einer ursächlichen Therapie. Unter Fatigue leiden aber auch Patienten ohne Anämie und nach erfolgreich abgeschlossener Therapie. Das kann Monate lang anhalten, aber auch über ein Jahr und länger. Metaanalysen von Studien haben gezeigt, dass Schwere und Dauer eines Tumor-Fatigue-Syndroms sich negativ auf die Prognose des Patienten auswirken. Deswegen sollte man eine Fatigue immer ernst nehmen und behandeln."

Dr. Artur Wölfel

Aus der Pflanzenheilkunde kann bei tumor- und therapiebedingter Fatigue der koreanische Rote Panax Ginseng helfen, eine Substanz, die die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verbessert. Die Ergebnisse kleiner Studien zeigen, dass für einen spürbaren Effekt allerdings eine ausreichend hohe  Dosierung von 1200 mg notwendig ist.

Für mehr Energie und Vitalität können Fatigue-Betroffene zusätzlich Guarana in Kapselform einnehmen. Dabei handelt es sich um eine koffeinhaltige Schlingpflanze. Bei einer andauernden, gravierenden tumor- oder therapiebedingten Fatigue erstatten die gesetzlichen Krankenkassen eine Behandlung mit Präparaten aus der weißbeerigen Mistel. Denn Studien haben gezeigt, dass diese Mistelpräparate die Fatigue-Intensität reduzieren können. Auch Kneippsche Wassergüsse, bei denen der Körper abwechselnd mit warmem und kaltem Wasser begossen wird, können gegen Erschöpfung helfen.

"Wir behandeln Fatigue-Patienten auch mit der sogenannten moderaten Ganzkörperhyperthermie. Hier wird durch die Anwendung von kurzwelligem Infrarotlicht ein fieberähnlicher Zustand mit einem messbaren Anstieg der Körpertemperatur erzeugt. Es ist eine Art Trainingstherapie der körpereigenen Regulation. Das Immunsystem wird aktiviert, gleichzeitig verbessert sich die Mikrozirkulation, also die Durchblutung. Das führt dazu, dass jede Körperzelle besser mit Sauerstoff versorgt wird und damit leistungsfähiger ist."

Dr. Artur Wölfel

Eine Chemotherapie hemmt durch chemische Substanzen, die sogenannten Zytostatika, das Wachstum der sich schnell teilenden Tumorzellen. Aber auch andere Zellen werden in ihrem Wachstum und ihrer Regeneration gestört.

"Wir haben sich schnell teilende Zellen beispielsweise im Knochenmark, die für die Bildung der Blutzellen zuständig sind. Aber auch die Zellen der Mund- und Darmschleimhaut regenerieren sich relativ schnell. All diese Zellen werden durch die Chemotherapie negativ beeinflusst – das ist sozusagen wie ein Schrotschuss auf alle sich schnell teilenden Zellen. Und deswegen ist die Chemotherapie häufig mit einem relativ breiten Spektrum an Nebenwirkungen verbunden."

Dr. Artur Wölfel

Häufige Nebenwirkungen einer Chemotherapie sind Beschwerden des Verdauungstrakts wie Übelkeit, Appetitlosigkeit oder Durchfall. Übelkeit im Rahmen der Chemotherapie entsteht durch eine Schädigung der Darmschleimhaut, die eine starke Ausschüttung des Botenstoffs Serotonin bewirkt. Serotonin wiederum aktiviert das Brechzentrum im zentralen Nervensystem. Starke Übelkeit im Rahmen einer Chemotherapie wird schulmedizinisch zum Beispiel mit sogenannten Setronen behandelt. Dabei handelt es sich um Serotonin-Antagonisten, die Übelkeit und Brechreiz reduzieren.

"Auf diese Weise kann man die Übelkeit im Rahmen einer Chemotherapie meistens gut kontrollierten. Deswegen sollte man auf die Einnahme von Setronen bei starker Übelkeit nicht verzichten. Wenn wir uns komplementäronkologisch positionieren wollen, könnte man bei anhaltender Übelkeit und Appetitlosigkeit, die sich durch die Setrone nicht beeinflussen lassen, unterstützend Ingwer in Kapselform einnehmen. Interessanterweise hat Ingwer einen ähnlichen Effekt wie die Setrone: Bestimmte Bestandteile des Ingwers docken auch an den Serotoninrezeptoren im Brechzentrum an und vermindern damit die Empfindung von Übelkeit."

Dr. Artur Wölfel

Bei anhaltender Appetitlosigkeit, auch nach der Chemotherapie, kann man aus der Pflanzenheilkunde Substanzen mit Bitterstoffen einnehmen, die die Sekretion der Verdauungssäfte anregen – beispielsweise Wermut, Enzian, Kondurango oder Tausendgüldenkraut. Es gibt auch Kombinationspräparate aus mehreren Substanzen wie die sogenannte Tinctura amara, die man zu den Hauptmahlzeiten einnehmen kann, um die Verdauungstätigkeit zu verbessern.

"Wenn Übelkeit und Appetitlosigkeit sich einfach nicht bessern wollen, kann das auch eine Indikation für ein Cannabis-Präparat sein, das dann auch den psychoaktiven Anteil, also das Tetrahydrocannabinol (THC), beinhalten sollte. Oder man kann direkt Marihuana rauchen. Das scheint tatsächlich bei neurologischen Schmerzen oder bei Appetitlosigkeit bei Krebspatienten einen Versuch wert zu sein."

Dr. Artur Wölfel

Bei Durchfällen im Zusammenhang mit der Chemotherapie setzt die Schulmedizin standardmäßig Lopedium ein, ein Opioid, das den Darm lähmt. Manche Patientinnen und Patienten benötigen bei chronischem Durchfall auch Tinctura Opii, also Opium, um den Darm zu beruhigen.

"In der Komplementär-Onkologie greifen wir auf Apfelpektin zurück, um den Stuhl einzudicken. Das gibt es auch in Pulver- und Kapselform. Außerdem gibt es Kombinationspräparate, die Myrrhe, Kaffeekohle und Kamille beinhalten und ebenfalls einen stuhlregulierenden Einfluss haben. Oder man kann es ergänzend mit Heilerde versuchen. Heilerde bindet toxische Substanzen im Stuhl, dickt den Stuhl etwas ein und kann auch einen positiven Effekt haben."

Dr. Artur Wölfel

Während der Chemotherapie kann es zu einer Entzündung der Mundschleimhaut kommen, einer sogenannten oralen Mukositis. Diese kann so heftig und schmerzhaft ausfallen, dass die Nahrungsaufnahme deutlich erschwert ist. Die Schulmedizin verabreicht in diesem Zusammenhang Mundspülungen, manchmal auch Schmerzmittel, um die Beschwerden zu lindern. Aus der Komplementärmedizin können Patientinnen und Patienten begleitend dazu Spülungen mit Mischungen aus Salbei und Kamille durchführen, die entzündungshemmend wirken.

"Auch Calendula ist eine Pflanze, die bei Schleimhautdefekten in der Naturheilkunde eingesetzt wird. Außerdem gibt es für das homöopathische Komplex-Präparat Traumeel Beobachtungsstudien. Das sind jetzt keine harten Studien, aber es hat mich doch beeindruckt, dass wenn Patienten das Präparat parallel zu einer hochdosierten Chemotherapie einnehmen, die Schwere der Schleimhautentzündungen im Mund geringer ausfällt. Das Präparat enthält unter anderem Arnika, Beinwell, Hamamelis und Calendula, also Schleimhaut- und Verletzungsmittel."

Dr. Artur Wölfel

Da sich eine Chemotherapie negativ auf Bildung der drei Blutzellreihen im Rückenmark auswirkt, kann es zeitlich begrenzt zu einer verringerten Zahl von weißen oder roten Blutkörperchen oder Blutplättchen kommen. Bei kritischen Werten kann die Bildung der weißen Blutkörperchen durch die Gabe des Wachstumsfaktors G-CFS stimuliert werden. Bei anhaltender Blutarmut lässt sich eine oft drohende Bluttransfusion durch die Gabe von Erythropoetin verhindern. Eine seltene kritische Erniedrigung der Blutplättchen kann die Gabe von Thrombozytenkonzentraten erforderlich machen.

Zur Verbesserung der Lebensqualität und der Verringerung von Müdigkeit und Appetitlosigkeit können während der Chemotherapie ergänzend Präparate mit Extrakten der weißbeerigen Mistel eingesetzt werden. Denn die enthaltenen Mistel-Lektine wirken stärkend auf das Immunsystem.

"Bei einer niedrigdosierten Misteltherapie parallel zur Chemotherapie besteht die Hoffnung, dass die Auswirkungen auf die drei Blutzellreihen nicht so gravierend sind. Aber das ist kein Schwerpunkt der komplementäronkologischen Behandlung, sondern wir empfehlen die Misteltherapie, weil es hinsichtlich der Lebensqualität, der Schmerzintensität, der Müdigkeit und der Appetitlosigkeit den Patienten, die die Mistel anwenden, besser geht als denen, die das nicht tun."

Dr. Artur Wölfel

Viele Chemotherapeutika schädigen die Haarwurzeln. Daher müssen Patientinnen und Patienten damit rechnen, dass ihre Haare während der Chemotherapie vorübergehend ausfallen. Hier ist es ratsam, sich frühzeitig eine Kurzhaarfrisur schneiden zu lassen und sich um eine Perücke zu kümmern. Es gibt zwar sogenannte Kältehauben, die den toxischen Effekt auf die Haarwurzeln reduzieren sollen. Aber dass man deswegen auf eine Perücke verzichten kann, ist nicht garantiert.

"Zu diesen Kältehauben sollte man wissen: Der Patient muss sie selbst bezahlen und man sollte sie 30 Minuten vor der Infusion des Chemotherapeutikums tragen und wenigstens 90 Minuten danach. Durch die Kälte wird die Kopfhaut auf vier Grad Celsius heruntergekühlt. So soll die Durchblutung im Bereich der Haarwurzel reduziert werden. Aber man muss ehrlich sagen: Die Notwendigkeit einer Perücke im Rahmen einer Chemotherapie lässt sich auch dadurch nicht zwingend verhindern. Der Haarausfall ist vorübergehend und die Haare wachsen nach der Chemotherapie wieder nach."

Dr. Artur Wölfel

Eine Nebenwirkung, die noch Monate und Jahre nach der Krebstherapie fortbestehen kann, ist eine durch die Chemotherapie verursachte Polyneuropathie. Das bedeutet: Durch die Chemotherapeutika werden Nerven geschädigt, was unter anderem zu Kribbeln, Kälte- oder Bandagierungsgefühlen oder motorischen Beeinträchtigungen wie Gangstörungen führen kann.

"Diese Patienten haben ständig Missempfindungen in Fingern, Zehen, Händen und Füßen, die bis zum Schmerz gehen. Das ist keine seltene Nebenwirkung der Chemotherapie, gerade wenn bestimmte Medikamente wie Platinverbindungen oder Taxane enthalten sind. Da kann man eigentlich mit einer extrem hohen Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass eine solche Polyneuropathie auftritt. Sie ist bei einem Teil der Patienten reversibel, aber manche leiden sehr lang darunter."

Dr. Artur Wölfel

Da die Polyneuropathie oft an Händen und Füßen auftritt, versucht man, das Auftreten dieser Nebenwirkung mit Kälte-Handschuhen und Kälte-Socken, die während der Chemotherapie getragen werden, zu verhindern. Das gelingt jedoch nicht immer.

"Man sollte relativ frühzeitig, noch bevor die Symptome gravierend sind, gegensteuern – auch durch eine intensive Hautpflege. Wir empfehlen zum Beispiel schon während der Chemotherapie mehrfach am Tag Einreibungen mit Hanf- oder Johanniskrautöl. Es wird auch die Anwendung von harnstoffhaltigen Cremes empfohlen. Sie sollten fünf bis zehn Prozent Urea enthalten. Das Eincremen verhindert die Verhornung der Haut und gibt ihr genügend Feuchtigkeit zurück. Außerdem fördert es die Durchblutung und hat einen schützenden Effekt auf das Ausmaß der Entwicklung einer Polyneuropathie."

Dr. Artur Wölfel

Wenn erste Symptome während der Chemotherapie auftreten, sollte man Hände und Füße darüber hinaus gezielt trainieren, zum Beispiel durch das Kneten von erwärmten Linsen oder erwärmtem Vogelsand – eine kombinierte Wärme- und Bewegungstherapie für die Hand- und Fußmuskulatur, um der Polyneuropathie vorzubeugen.

"Zudem empfehlen wir eine physikalische Therapie, die sogenannte Gleichstrom-Anwendung. Da gibt es das sogenannte Vierzellen-Bad, das sind galvanische Ströme. Es handelt sich um einen konstanten Gleichstrom, der schmerzlindernd und zellwachstumsfördernd wirkt. Es ist ein Versuch, dass sich über die galvanischen Ströme möglicherweise die Nervenstruktur regeneriert –und lindert die Symptome wie Empfindungsstörungen und Schmerz. Diese Anwendung muss man früh beginnen und regelmäßig machen, am besten zwei bis dreimal pro Woche."

Dr. Artur Wölfel

Bei leichteren Symptomen kann man Hand- und Fußbäder mit Ringelblume, Salbei und Kamille durchführen. Da bei einer Polyneuropathie die Temperaturempfindung in Händen und Füßen gestört sein kann, sollte man allerdings genau darauf achten, dass die Wassertemperatur nicht zu hoch ist. Ansonsten kann es zu Verbrennungen kommen.

Im Rahmen der Strahlen- oder Radiotherapie werden vom Krebs betroffene Körperstellen lokal mit ionisierender Strahlung oder Teilchenstrahlung behandelt. Die Strahlung zerstört Krebszellen und hemmt deren Wachstum und Ausbreitung. Allerdings sind auch gesunde Zellen von der zellschädigenden Wirkung betroffen, sodass Nebenwirkungen im bestrahlten Körperareal wie Haut- und Schleimhautveränderungen oder langfristig der Abbau der Muskulatur auftreten können.

"In der Frühphase der Bestrahlung kommt es zur Hautrötung, ähnlich wie bei einer Verbrennung. Im weiteren Verlauf kann sich dann eine Überpigmentierung entwickeln, also eine Verfärbung der Haut. Zur Vorbeugung von Hautschäden durch die Strahlentherapie geben wir in der Komplementär-Onkologie gerne das homöopathische Mittel Radium bromatum. Die Haut im Bestrahlungsfeld darf aber nur mit Substanzen gepflegt werden, die vom Strahlentherapeuten empfohlen werden. Nach Abschluss der Behandlung können gammalinolsäurehaltige Cremes zum Beispiel mit Nachtkerzen- oder Borretschsamenöl helfen oder auch Johanniskrautöl."

Dr. Artur Wölfel

Wird eine Bestrahlung im Kopfbereich durchgeführt, können die Speicheldrüsen geschädigt werden. Hier können Mundspülungen mit Olivenöl den Speichelfluss anregen. Leichte Entzündungen der Mundschleimhaut können beispielsweise mit Ringelblumenextrakt gelindert werden. Bei einer Bestrahlung des Bauchraums kann es zu Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen kommen. Diese Nebenwirkungen werden ähnlich behandelt wie Probleme des Verdauungstrakts, die durch eine Chemotherapie verursacht werden. Bei Übelkeit setzt die Schulmedizin auch hier Setrone (Serotonin-Antagonisten) ein. Begleitend dazu kann die Übelkeit naturheilkundlich durch die Einnahme von Ingwerextrakt abgemildert werden.

"Das Hauptproblem bei der Bestrahlungstherapie sind allerdings die Spätschäden. Wenn der Bauchraum bestrahlt wurde, gibt es Jahre später oft Probleme mit dem Darm oder der Harnblase. Man spricht dann von einer Strahlen-Kolitis oder Strahlen-Zystitis. Plötzlich hat der Patient Durchfall oder Beschwerden beim Wasserlassen, weil durch die Bestrahlung die Darmschleimhaut oder die Blasenschleimhaut chronisch geschädigt sind. Das ist sehr schwierig zu behandeln – man muss in diesen Fällen symptomorientiert therapieren. Wenn der Patient Durchfall hat, würden wir zum Beispiel Apfelpektin geben oder ein Kombinationspräparat mit Myrrhe und Kaffeekohle."

Dr. Artur Wölfel

Eine Antihormon-Therapie oder hormonablative Therapie kommt vor allem bei der Behandlung von Brust- oder Prostatakrebs zum Einsatz. Dabei wird die Bildung beziehungsweise Wirkung von Hormonen blockiert, die das Tumorwachstum stimulieren. Beim Prostatakrebs etwa wird die Wirkung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron medikamentös blockiert.

"Auf diese Weise kommt es bei den Männern zu einem Östrogenüberschuss und damit zu einer Verschiebung der Fett-Muskel-Relation: Muskulatur bildet sich zurück, dafür ist mehr Fettgewebe vorhanden. Das vermindert die Leistungsfähigkeit durch den Muskelabbau und ist natürlich auch eine erhebliche psychische Beeinträchtigung. Da sollte man unbedingt mit Beginn der Therapie schon eine Bewegungstherapie mit dem Schwerpunkt auf Krafttraining initiieren, weil man auf diese Weise die Muskelmasse aufrechterhalten kann. Das wirkt sich auch bei der Entwicklung einer Fatigue positiv aus und stärkt das Körpergefühls und das Selbstbewusstsein der Männer."

Dr. Artur Wölfel

Die Antihormon-Therapie bei Brustkrebspatientinnen blockiert die Wirkung des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen. Dadurch können Frauen Beschwerden entwickeln, die denen während der Wechseljahre ähneln – etwa Hitzewallungen, Schleimhauttrockenheit oder Knochen- beziehungsweise Gelenkschmerzen. Da es sich oft um ein östrogenabhängiges Tumorwachstum handelt, kommt eine Östrogen-Ersatztherapie in diesem Fall nicht infrage. Auch Phytoöstrogene aus Soja oder Rotklee können hier nicht zum Einsatz kommen.

"Die Ausprägung der Nebenwirkungen einer hormonablativen Therapie können beim Brustkrebs der Frau durch Einnahme eines Linsenextrakt-Enzym-Selen-Präparates reduziert werden. Vor allem Schleimhauttrockenheit und Gelenkbeschwerden bessern sich. Deswegen empfehlen wir Patientinnen, die die Antihormon-Therapie nicht gut tolerieren, diese Substanzen einzunehmen."

Dr. Artur Wölfel

In der zielgerichteten Krebstherapie werden Medikamente verabreicht, die sich gezielt gegen Vorgänge richtigen, die für das Tumorwachstum wichtig sind. Sie blockieren beispielsweise Rezeptoren an der Tumorzelle, an denen Wachstumsfaktoren ansetzen oder hemmen Signalübertragungen, die das Tumorwachstum fördern. Zielgerichtete Therapien kommen nicht für alle Krebskranken in Frage, sondern sind abhängig von der jeweiligen Tumorart, dem Krankheitsstadium und den biologischen Merkmalen der jeweiligen Krebszellen.

Zum Beispiel können sich zielgerichtete Medikamente gegen den sogenannten HER2-Rezeptor richten, der bei 30 bis 40 Prozent der Brustkrebspatientinnen das Tumorwachstum stimuliert oder gegen den sogenannten Epidermalen-Wachstumsfaktor-Rezeptor, der bei rund 70 Prozent der Darmkrebspatientinnen und -patienten vorkommt.

"Das Problem ist, dass die Therapie nicht ganz so zielgerichtet ist, wie laienhaft oft angenommen wird. Der Epidermale Wachstumsfaktor – wie der Name schon sagt – befindet sich nicht nur an der Tumorzelle, sondern bevorzugt auch an der Haut. Deswegen kann es bei diesen Therapien gravierende Hautprobleme geben. Beispielsweise kann es zu einem akneähnlichen Hautausschlag kommen, oft am ganzen Körper mit Eiterpusteln und starkem Juckreiz."

Dr. Artur Wölfel

Eine weitere häufige Nebenwirkung zielgerichteter Krebstherapien ist das sogenannte Hand-Fuß-Syndrom, bei dem die Betroffenen Handflächen und Fußsohlen kaum noch belasten können. Patientinnen und Patienten, die darunter leiden, sollten Füße und Hände vor Druckbelastung schützen – also nicht zu lange gehen oder stehen und nicht zu viel tragen oder greifen.

"Denn sonst kann es zu einer massiven Schwellung und Rötung der Haut mit einem ausgeprägten Entzündungsprozess kommen. Das kann sogar auf die Nägel übergreifen, die Fingernägel lösen sich dann ab. Man versucht, das auch mit Kühl-Handschuhen oder -Socken zu verhindern. Aber es tritt trotzdem auf. Man sollte auch hier Hände und Füßen mehrfach am Tag einreiben, zum Beispiel mit Creme, die fünf- bis zehn-prozentigen Harnstoff enthält."

Dr. Artur Wölfel

Bei diesen beiden Krankheitsbildern sollte man sich am besten von einem Hautarzt unterstützen lassen, der sich auf onkologische Nebenwirkungen spezialisiert hat. Manchmal können Kortison oder Retinoide, also Vitamin-A-Abkömmlinge, die Symptome lindern. Bei stärkeren Entzündungen werden Antibiotika verschrieben.

"Hier muss ich ehrlicherweise sagen: Diese Krankheitsbilder sind so gravierend, dass man mit einfachen, naturheilkundlichen Maßnahmen keine deutlichen Verbesserungen bewirken kann. Natürlich ist eine begleitende Hautpflege wichtig. Auch kühlende und Juckreiz reduzierende Auflagen lindern die Symptome. Aber diese Nebenwirkungen erfordern hauptsächlich spezifische fachärztliche Therapien."

Dr. Artur Wölfel

Eine Tumoroperation kann die verschiedensten Nebenwirkungen mit sich bringen – je nachdem, wo und wie großflächig die Operation erfolgt ist. Nach einer Brustkrebs-OP, bei der Lymphknoten entfernt wurden, kann sich beispielsweise ein Lymphödem bilden, also eine Ansammlung von Lymphflüssigkeit im Gewebe. Diesen Patientinnen kann eine Kompressionstherapie kombiniert mit einer Lymphdrainage helfen.

"Zusätzlich kann man Natriumselenit in hoher Dosierung geben, weil dadurch der Lymphabfluss gefördert wird. Versuchsweise kann man noch das homöopathische Komplexpräparat Lymphomyosot hinzunehmen, das auch den Lymphabfluss unterstützen kann."

Dr. Artur Wölfel

Nach einer Darmkrebs-Operation kann es zu einer mikrobiologischen Störung des Darms kommen. Wenn zum Beispiel der Übergang vom Dünn- zum Dickdarm entfernt wurde, können Probiotika bei Problemen wie Durchfall oder Verstopfung helfen. Wenn der Dickdarm entfernt wurde und der Stuhlgang zu flüssig ist, kann die Einnahme von Apfelpektin oder Flohsamenschalen hilfreich sein.

Wurde die Prostata entfernt, ist ein anschließendes Beckenboden-Training wesentlich. Wenn Lymphknoten entnommen wurden, kann auch hier Lymphdrainage im Kombination mit Natriumselenit und Lymphomyosot empfohlen werden. Sollten nach der Operation weiterhin Symptome einer Reizblase bestehen, kann man begleitend Präparate aus der Pflanzenheilkunde mit Kürbiskernextrakt und oder Sabal einnehmen.

Nach Operationen in bestimmten Organbereichen können manuelle Techniken wie die Viszeraltherapie aus der Osteopathie oder die Bindegewebsmassage eine gute Unterstützung sein. Bei der Viszeral-Therapie versucht man, über eine manuelle Stimulation der Eingeweide-Organe, Fehlsteuerungen in diesem Bereich auszugleichen.

"Die Bindegewebsmassage fokussiert sich auf die Verbindung des Bindegewebes zu den inneren Organen. Es gibt sogenannte viszerokutane Reflexbögen. Das heißt, wenn im Bereich der Eingeweide irgendwo eine Entzündung, eine Verspannung oder Funktionsstörung vorliegt, wirkt sich das auf die Körperoberfläche aus. Durch die Behandlung des Bindegewebes, das diesem gestörten oder erkrankten Organ zugeordnet ist, kann man eine Funktionsstörung in diesem Bereich wieder regulieren. Diese Technik hat einen heilenden, schmerzlindernden und funktionsstärkenden Effekt. Ein Teil der Krebspatienten spricht sehr positiv darauf an."

Dr. Artur Wölfel

Sind Patientinnen und Patienten nach einer tumordestruktiven Therapie krebsfrei, beispielsweise nach überstandener Operation und Chemotherapie, spricht man von einer adjuvanten Therapiesituation. Je nach Krebsform und Krankheitsstadium ist das Risiko, dass sich erneut ein Tumor, also ein Rezidiv, bildet oder Metastasen entstehen, unterschiedlich hoch.

"Man spricht von der Fünf-Jahres-Überlebenszeit. Das bedeutet: Nach fünf Jahren ist das Risiko, wieder zu erkranken, bei nahezu allen Tumoren – wenn man bis dorthin kein Rezidiv hatte – so groß, wie beim Gesunden. Dann wird aus der Nachsorge wieder eine Vorsorge."

Dr. Artur Wölfel

In den ersten fünf Jahren nach der Krebserkrankung sind Maßnahmen der sogenannten Sekundärprävention wesentlich, die dabei helfen sollen, das Risiko einer erneuten Erkrankung möglichst gering zu halten. Dazu zählen regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen, in manchen Fällen auch eine adjuvante Chemotherapie oder die hormonablative Therapie. Die Komplementär-Onkologie empfiehlt in dieser Phase die Anwendung von Mistel-Präparaten, da sie das Immunsystem stärken und das Risiko, erneut zu erkranken, reduzieren können.

"In den ersten drei Jahren nach der Tumordestruktion sollte man eine intensivere Misteltherapie durchführen. Die Patienten spritzen sich dann beispielsweise sechs Wochen lang ein Mistelpräparat und machen anschließend zwei Wochen Pause. Ab dem vierten Jahr empfehlen wir vierteljährlich eine Serie mit einem Mistelpräparat. Ausnahme ist der Brustkrebs der Frau – da spricht man nicht von der Fünf-, sondern von der Zehn-Jahres-Überlebenszeit. Denn es können auch spät nach Diagnosestellung noch Lokal-Rezidive oder Metastasierungen auftreten. In diesem Fall empfiehlt man, die Mistel in niedriger Dosierung bis zum Erreichen dieser Zehn-Jahres-Grenze einzunehmen."

Dr. Artur Wölfel

Aus Sicht der Komplementär-Onkologie kommt auch der Ordnungstherapie, also einer gesunden Lebensgestaltung, im Rahmen der Sekundärprävention eine große Bedeutung zu. Dazu gehören unter anderem eine vollwertige pflanzenbetonte Ernährung, ausreichend Bewegung und Schlaf sowie das Erlernen von Entspannungsverfahren.

"Außerdem spielt ein rhythmisiertes Leben eine große Rolle, also ein regelmäßiger Wechsel zwischen Lebensphasen der An- und Entspannung. Ein permanent leistungsorientiertes Leben, das keine Ruhephasen kennt, wirkt sich auch auf die Körperfunktionen negativ aus. Denn Stress hat biochemische Auswirkungen in unserem Körper. Also müssen wir uns auch ausreichend Zeit geben für die Entspannung, für die Verinnerlichung, aber auch für die Auseinandersetzung mit Sinnfragen. Der kompetente Patient zeigt Eigeninitiative und gestaltet seine Nachsorge auch aktiv selbst."

Dr. Artur Wölfel